Wie gefährlich ist SARS-CoV-2?

Kurze Antwort: Das neue Coronavirus ist in Ansteckung einer normalen Erkältung sehr ähnlich. Die Sterblichkeit liegt höher als bei Erkältungen oder Grippeerkrankungen. Die Datenlage dazu wie viel gefährlicher das Virus gefährlicher ist dabei schwierig. Die Datenlage zur Sterblichkeit und Ansteckung als auch Langzeitfolgen von Erkältung und Influenza sind sehr dünn. Man kann anhand der aufzufindenden Daten eine 3-fach höhere Sterblichkeit von SARS-CoV-2 im Vergleich zu Grippe und Influenza ermitteln. Die Aussage, dass die ursprünglichen Varianten von SARS-CoV-2 seien ähnlich gefährlich, wie eine Grippe (wenn man hier die saisonalen Erkältungserreger und Influenza gleichzeitig eint) sind nach aktueller Evidenz halb wahr aufzufassen, da die Ansteckungswahrscheinlichkeit der Erkältung ähnlich ist. Aussagen, dass es „gleich gefährlich ist“ sind als falsch aufzufassen. Berichte über Langzeitcovid sind bislang nicht mehr als anekdotisch und nicht evidenzbasiert. Eine mediale Verzerrung scheint naheliegend.

Die neuen Varianten scheinen deutlich ansteckender (50%) als die ursprüngliche Variante zu sein. Da Ansteckung eine exponentielle Funktion ist, hat diese Abweichung deutliches Gewicht. Die neuen Varianten scheinen leicht tödlicher zu sein, in einer Studie in England 0,4 % Infektionssterblichkeit statt vorher 0,3% Fallsterblichkeit [12].

Lange Antwort:

Es gibt viel Gerede um die Gefährlichkeit von SARS-CoV-2. Da gibt es auf der einen Seite die bundesdeutsche Politik, die jetzt seit März 2021 von immer größerer Gefährlichkeit spricht, um damit trotz des Wegfallens des initialen Grundes – der Schutz der Risikogruppen (weil diese nun geimpft sind) – weiter autoritäre Maßnahmen durchsetzen zu können. Auf der anderen Seite stehen krude Gestalten, die das Virus abstreiten und verharmlosen. In der Mitte stehen Menschen, die die Sterblichkeit des Virus relativ zu anderen Gefahren verorten, aber ohne sich um Ansteckungsraten zu kümmern. In diesem Artikel werden wir uns daher die Datenlage dazu angucken. Wir bestimmen die Gefahr des Viruses sowohl in seiner Ansteckungsgefahr, Sterberate als auch in den Langzeitfolgen.

Ansteckungsgefahr

Die Ansteckungsgefahr eines Viruses wird über die Reproduktionszahl R beschrieben. Diese hängt dabei nicht nur vom Virus, sondern auch von der Umgebung und der Population ab. Die Reproduktionszahl ist eine skalare Größe, die beschreibt wie viele Menschen ein Infizierter Mensch im Schnitt ansteckt.

R = k \cdot b \cdot d

Diese Reproduktion ergibt sich aus den Skalaren k, der Kontaktrate, also der durchschnittlichen Anzahl Kontakte pro Zeiteinheit eines Infizierten, b Kontaktübertragungswahrscheinlichkeit, also der Wahrscheinlichkeit der Übertragung bei Kontakt und D der durchschnittlichen infektiösen Zeit (also der Zeit in der genügend Erregermaterial im Auswurf ist, um andere Menschen anzustecken) [1]

Die Basisreproduktionszahl R_0  ist dabei der R-Wert wenn in der Bevölkerung keine kontaktbeschränkenden Maßnahmen also  k = k_0 und keine Herdenimmunität vorliegt und dadurch  q = q_0.

Die effektive Reproduktionszahl R_{\textrm{eff}} beschreibt die Zahl die Reproduktion des Viruses in der Population wobei die durchschnittliche Kontaktrate k eines Infizierten gesenkt wird durch a) Entdeckung und Quarantäne des Infizierten oder b) Reduktion aller Kontakte in der Population; und die Übertragungswahrscheinlichkeit bei Kontakt b durch das Vorhandensein von immunen Individuen in der Bevölkerung reduziert wird.

Die effektive Reproduktionszahl R_{\textrm{eff}} lässt sich dabei in der Bevölkerung aufgrund der Überwachung der Meldedaten recht einfach bestimmen, die Basisreproduktionszahl ist eine Berechnung die mehr Annahmen bedarf.

Schauen wir uns nun die Basisreproduktionszahl an:

Krankheitserreger Übertragungsweg Basisreproduktionszahl
Masern Aerosol 12-18
Normale Erkältung Tröpfchen 2-3 (a) [2]
Saisonale Influenza (echte Grippe) Tröpfchen 1,3 (1,2-1,4)
SARS-CoV2 Tröpfchen, Aerosol 2.87 (2,39–3,44) [3]
SARS-CoV2-B117 Mutante Tröpfchen, Aerosol 4,5 [4]; 43% mehr als Basisvariante [5], 50% mehr als Basisvariante [6]

 

Fazit

Wir sehen, dass das neue Corona-Virus in seinen ursprünglichen Varianten eine sehr ähnliche Ansteckungsrate wie eine normale Erkältung aufweist. Die neue Variante stellt hingegen eine deutliche stärkere Ansteckungsgefahr dar, wie man am exponentiellen Wachstum unten leicht sehen kann.

Anmerkungen

  • Es ist schwierig hierzu vernünftige wissenschaftliche Aussagen zu finden, da die „normale Erkältung“ von vielen unterschiedlichen Krankheitserregern ausgelöst werden kann, auf welche nicht in breiter Masse getestet wird und daher keine Studien vorliegen.

Sterblichkeit

Bei der Sterblichkeit muss man zwei unterschiedliche Sterblichkeiten differenzieren. Es gibt die Fallsterblichkeit, also die fall-bezogene Sterblichkeit englisch case fatality rate (CFR). Im Falle neuen Coronavirus ist diese derzeit folgendermaßen definiert

CFR = \frac{\textrm{Im Zusammenhang mit Virus verstorben}}{\textrm{Fälle von positiv getesteten Menschen}}

Diese Rate hat einen starken Verzerrungseffekt (englisch bias) dadurch, dass man normalerweise nur Menschen testet, die schon Krankheitssymptome zeigen und damit der Nenner des Bruchs sehr klein wird und alle Menschen, die die Infektion ohne Probleme überstehen ausgeschlossen werden. Diesen Anteil bezeichnet man als Dunkelziffer. Die Dunkelziffer schätzt man ab indem man z.B. wie von Dr. Streeck durchgeführt auch asymptomatische Menschen für eine Studie testet. Dann kann man die Infektionssterblichkeit, also infektionsbezogene Sterblichkeit, englisch infection fatality rate (IFR) abschätzen.

IFR = \frac{\textrm{Im Zusammenhang mit Virus verstorben}}{\textrm{Anzahl infizierter Menschen}}

Vergleichen wir nun die Sterblichkeiten unterschiedlicher Erreger:

Erreger Infektionssterblichkeit Fallsterblichkeit Fallsterblichkeit unter 60
SARS-CoV-2 weltweit 0,15 % (a), Deutschland: 2,7% (b) 0,13 % (b)
saisonale Influenza weltweit: deutlich unter 0,1% [7],

USA: 0,05% in USA, D weniger [8]

keine Daten keine Daten
Altes Coronavirus keine Daten 0,8 % (c) keine Daten
saisonale Erkältung insgesamt keine Daten keine Daten keine Daten

 

SARS-CoV-2 England 0,3% [12]
B117 England 0,4% [12]

Anmerkungen

  1. Eine Metastudie über Metastudien von Prof. Ionnadis [9], einem der meistzitierten Wissenschaftler der Welt
  2. Quelle: corona.rki.de Daten herunterladen und Filtern nach Alterskategorien. 2650 Verstorbene auf 1,9 Millionen Infizierte
  3. Daten für Frankreich nach [10]. Man muss hierzu sagen, dass gerade mal 2850 Fälle untersucht wurden, da nur sehr selten untersucht wird welche Dinge was umbringen

Fazit

Die Evidenz, ob das neue Coronavirus deutlich höhere Sterblichkeit hat als die normale saisonale Influenza und Erkältungswellen ist gering. Unter den vorliegenden Daten hat das Corona-Virus eine 3 mal höhere Infektionssterblichkeit als Influenza. Da bei den anderen Erkrankungen die Datenlage aber aufgrund der nichtvorhanden Datenerhebung knapp ist, ist es statistisch möglich, dass SARS-CoV-2 die gleiche oder eine geringere Sterblichkeit als Influenza und Erkältung hat.

Datenstand 29.04.2021, Quelle: Rohdaten RKI Covid-19 Fälle

Altergruppe PCR-Positivensterblichkeit
0-4 0.012%
5-14 0.003%
15-34 0.014%
0-34 0.012%
35-59 0.239%
60-79 4.671%
80+ 20.043%
gesamt 2.459%

Nach Daten des RKI liegt der gewichtete Altersmedian der Toten liegt bei 85, das Durchschnittalter bei 83 Jahren.

Langzeitfolgen

Das Netzwerk Evidenzbasierte Medizin befindet, dass es „einen relevanten Wahrnehmungs- und Diagnosebias bei COVID-19“ gibt. Mehre Monate andauernde als auch längere Einschränkungen gibt es nach vielen schweren Infektionskrankheiten [11]. „Langzeitcovid“ gilt dabei als eine von Patienten geschaffene Krankheit. Der Begriff wurde von Positivgetesteten auf sozialen Medien erfunden und weiterentwickelt [13]. Das bedeutet nicht, dass die Patienten kein echtes Leiden haben, sondern beudetet, dass es bisher noch keine ausreichend wissenschaftliche Erforschung gibt. Bisher wissen wir außer Anekdoten wenig über Langzeitcovid. Jeder zehnte Patient der an Covid19 erkrankt, ist länger als 3 Wochen krank [14].

Es bedarf einer klaren Begleitung der Patienten, um herauszufinden woran genau die Patienten leiden. Dabei muss auch abgeklärt werden ob neben SARS-CoV2 auch andere Krankheitserreger, die normalerweise nicht gesucht werden, eine Rolle spielen Im schlimmsten Fall, läge nahe, dass es sich nicht um die Langzeitfolgen einer Covid-19-Erkrankung handelt, sondern um Spätfolgen einer früheren Erkrankung, der zum ersten Mal Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Bibliographie

[1] S. U. James Holland Jones, „The Basic Reproduction Number in a Nutshell,“ 2007. [Online]. Available: https://web.stanford.edu/~jhj1/teachingdocs/Jones-on-R0.pdf.
[2] T. T. Colin Freeman, „while a common cold has an R0 value of between two and three.,“ 06 10 2014. [Online]. Available: https://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/ebola/11213280/Magic-formula-that-will-determine-whether-Ebola-is-beaten.html.
[3] C. D. c. W. –. o. d. M. M. M. D. c. W. –. r. &. e. a. M. N. K. F. a. M. S. S. W. –. o. d. W. –. r. Md. Arif Billah, „Reproductive number of coronavirus: A systematic review and meta-analysis based on global level evidence,“ 11 10 2020. [Online]. Available: Reproductive number of coronavirus: A systematic review and meta-analysis based on global level evidence.
[4] A. M. Gabriel Katul, „Global convergence of COVID-19 basic reproduction number and estimation from early-time SIR dynamics,“ 24 09 2020. [Online]. Available: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0239800.
[5] *. V. O. P. A. V. O. P. C. B. V. O. P. I. J. A. J. K. V. O. P. Nicholas G. Davies1, „Estimated transmissibility and impact of SARS-CoV-2 lineage B.1.1.7 in England,“ 03 03 2021. [Online]. Available: https://science.sciencemag.org/content/early/2021/03/03/science.abg3055.
[6] P. Summer E. Galloway, P. Prabasaj Paul, P. Duncan R. MacCannell, P. Michael A. Johansson, M. John T. Brooks, P. Adam MacNeil, P. Rachel B. Slayton, P. Suxiang Tong, P. Benjamin J. Silk, M. Gregory L. Armstrong und M. Biggers, „Emergence of SARS-CoV-2 B.1.1.7 Lineage — United States, December 29, 2020–January 12, 2021,“ Centers for Desease Control and Prevention, [Online]. Available: https://www.cdc.gov/mmwr/volumes/70/wr/mm7003e2.htm.
[7] WHO, „Coronavirus disease 2019 (COVID-19) – Situation Report 46,“ 06 03 2020. [Online]. Available: https://www.who.int/docs/default-source/coronaviruse/situation-reports/20200306-sitrep-46-covid-19.pdf?sfvrsn=96b04adf_4.
[8] C. Drosten, „(58) Coronavirus-Update: Das Gedächtnis der Zellen,“ NDR Info, 30 09 2020. [Online]. Available: https://www.ndr.de/nachrichten/info/58-Coronavirus-Update-Das-Gedaechtnis-der-Zellen,podcastcoronavirus246.html.
[9] Ionnadis, „Reconciling estimates of global spread and infection fatality rates of COVID-19: an overview of systematic evaluations,“ 03 2021. [Online]. Available: https://doi.org/10.1111/ECI.13554.
[10] A. G.-G. M.-T. J. J.-M. R. C. Z. P. C. D. R. Yanis Roussel, „SARS-CoV-2: fear versus data,“ International journal of antimicrobial agents, 05 2020. [Online].
[11] N. E. Medizin, „Spätfolgen einer COVID-19 Erkrankung,“ 13 10 2020. [Online]. Available: https://www.ebm-netzwerk.de/de/veroeffentlichungen/erwiderung-kritik-stellungnahme-covid19.

 

[12]  R. Challen, E. Brooks-pollock, J. M. Read, L. Dyson, K. Tsaneva-atanasova, and L. Danon, “Risk of mortality in patients infected with SARS-CoV-2 variant of concern 202012 / 1 : matched cohort study,” pp. 1–10, 2021.

[13]  F. Callard and E. Perego, “Social Science & Medicine How and why patients made Long Covid,” Soc. Sci. Med., vol. 268, no. October 2020, p. 113426, 2021.

[14]  E. Mahase, “Covid-19 : What do we know about ‘ long covid ’ ?,” pp. 9–10, 2020.