F2 Gesamtgesellschaftliche Abwägung statt monokausaler rein naturwissenschaftlicher Betrachtung

Die Bundesregierung beruft sich bei der Verkündung der verschärften Restriktionen ab dem 13. bzw. 16. Dezember ausschließlich auf die Empfehlungen der Wissenschaft. So sagte Angela Merkel im Bundestag, dass „wir gut daran tun, das, was uns die Wissenschaft sagt, nämlich gestern die Leopoldina, wirklich ernst zu nehmen“. Hierbei verfehlt Merkel die grundsätzliche Idee eines freiheitlichen demokratischen Rechtstaates. In einem solchen Staat sollten Regierungen und Parlament sich von allen Zweigen der Wissenschaften beraten lassen und dann eine moralische Abwägung treffen.  Die Aussagen der Bundeskanzlerin und anderer Minister muten dem Verhalten in einer Technokratie der Wissenschaft an und sind aus folgenden Punkten verwerflich:

  1. Sie rücken die Verantwortung für politisches Handeln in die Hände der Wissenschaft und weg von demokratisch legitimierten Instanzen
  2. Ihnen liegt eine monokausale Betrachtungsweise zugrunde

1 Fortschieben der Verantwortung

Merkel schiebt die Verantwortung für die Entscheidung von sich weg und verletzt damit unser demokratisches Grundverständnis, in der als vom Bundestag gewählter Regierungschef die ihr vom Gesetz oder vom Parlament zugesprochenen Entscheidungen zu treffen hat. Diese Entscheidungen müssen einen politischen Verantwortlichen haben, der sich irren kann und dafür die Verantwortung zu tragen hat. Ausflüchte auf eine wissenschaftliche Autorität allein gebühren sich in einer Demokratie nicht. Der Deutsche Ethikrat sagt hierzu:

„Deshalb können und dürfen die anstehenden Entscheidungen nicht allein auf (natur)wissenschaftlicher Basis erfolgen. Es wäre nicht nur eine Überforderung der Wissenschaft, wollte man von ihr eindeutige Handlungsanweisungen für das politische System verlangen. Es widerspräche auch dem Grundgedanken demokratischer Legitimation, würden politische Entscheidungen umfassend an die Wissenschaft delegiert.“ [19]

Das Einholen von Rat ist grundsätzlich nicht falsch und wir begrüßen, eine wissenschaftlich gestützte Politik. Doch“[haben wir] in der Corona-Pandemie den falschen Anspruch an die Wissenschaft. Wir sehen nicht, dass wie eher ein Orientierungswissen von der Wissenschaft bekommen,[…], als genaue aussagen darüber, was wirklich passieren wird oder sogar, was wir tun müssen. Dazu ist die Situation viel zu unkontrollierbar“ [20]

Doch Merkels Aussagen sind genau das, sie delegieren Verantwortung für die politischen Entscheidungen an die Naturwissenschaften, die nur eine normative Empfehlung geben können.

 

2 Monokausale Betrachtung

Merkels Regierung führt eine monokausale Betrachtungsweise durch. Nach dem Prinzip „Viel hilft viel“ wird sich durch immer stärkere Restriktionen eine Verringerung der Infektionszahlen erhofft und somit weitläufige Einschnitte in die Grundrechte der Bevölkerung abgeleitet. Nicht nur gibt es derzeit keine klare Evidenz, dass die Restriktionen tatsächlich effektiv die Maßnahmen eindämmen, sondern in der Retrospektive wird in diversen kreuzbegutachteten wissenschaftlichen Artikeln festgestellt, dass extreme Maßnahmen wenig Einfluss haben. So schreib Thomas Wieland in der renommierten Zeitschrift Safety Science über das Abklingen der Infektionen im Frühjahr, dass „a trend change of infections from exponential growth to decay was not induced by the ‘lockdown‘ measures but occurred earlier“ [21].

Die Regierung ignoriert zentrale Forderungen des Ethikrates. So sagt dieser, dass „schwerwiegende Nebenfolgen für Bevölkerung und Gesellschaft durch die Maßnahmen abgewendet oder gemildert werden“ [19] müssen. Auch fordert der Ethikrat darüber nachzudenken „in welchem Ausmaß und wie lange die Gesellschaft erhebliche Einschränkungen ihres Alltagslebens verkraften kann“ [19]. Stattdessen verlängert die (verfassungsrechtlich nicht legitimierte) Konferenz aus Ministerpräsidenten und Kanzler von Endtermin zu Endtermin ihrer Einschränkungen ohne langfristige Strategien vorzulegen. So wurden zum Teil mit nur 2 Werktagen Vorlaufzeit weitgehende Einschränkungen vorgenommen [22].

Forderung

Wir fordern daher, dass die politische Diskussion über die Maßnahmen breiter gestaltet werden. Hierfür fordern wir die Schaffung einer Expertenkommission zur Pandemiebewältigung. Diese Kommission sollte sich nicht nur aus Epidemiologen und Virologen, sondern auch von Soziologen, Psychologen und Verfassungsrechtlern zusammen setzen. Diese Expertenkommission sollte Bundes-, Landesregierungen sowie die Parlamente beraten, statt Robert-Koch-Institut und Leopoldina, in welchen sich zwar die Fachkompetenz zu naturwissenschaftlichen Modellen für die Pandemie befinden mag jedoch eben keine weitere Kompetenz, um aus diesen deskriptiven Umständen normative Vorgaben abzuleiten. Ähnliche Forderung stellt auf Prof. Kekulé auf [23].